Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch

Ich sorge für
deinen
Badespaß.

Und du schreist
mich an?

Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch

Jens, Fachangestellter für Bäderbetriebe in Flensburg

Drohungen, Zerstörungswut und Rempeleien, all das gehört für Jens zum Berufsalltag. Dabei arbeitet der 41-Jährige an einem Ort, der für Freizeit und Spaß steht wie kein anderer: Jens ist Fachangestellter für Bäderbetriebe in einem großen Schwimmbad.

Dort, wo das fröhliche Lachen plantschender Kinder über das Wasser schallt, hört Jens täglich noch ganz andere Dinge. Als „Nazi, Beckenrandlatscher, Vollidiot“, wird Jens beschimpft, während er im Schwimmbad für sicheren Badespaß sorgt. Denn zu den zahlreichen Aufgaben des durchtrainierten Fachangestellten zählt nicht nur die Beckenaufsicht. Immer wieder muss Jens die Badegäste auch auf die Einhaltung der Haus- und Badeordnung hinweisen. „Da geht es um Themen wie das Abspielen von Musik oder um unerlaubte Foto- und Videoaufnahmen von anderen Badegästen“, erklärt Jens und zuckt leicht mit den Schultern. 

„Wir sind die Aufklärer am Beckenrand“.

Denn Jens und seinen Kolleg*innen ist es wichtig, dass sich alle Gäste im Schwimmbad wohlfühlen.

Doch während Jens für gegenseitigen Respekt und ein gutes Miteinander einsteht, wird ihm nicht immer Verständnis entgegengebracht. „Nach verbalen Auseinandersetzungen erlebe ich oft eine Zerstörungswut“ erzählt der Fachangestellte für Bäderbetriebe. Dann fliegen schon mal Sitzbänke ins Schwimmbecken und sanitäre Anlagen werden mit Fäkalien beschmiert. „Wenn ich jemanden auf frischer Tat erwische, ist der natürlich gereizt“, berichtet Jens. Das Eskalationslevel steige noch weiter. Nicht immer bleibt es dann bei Beleidigungen und Sachbeschädigung. Das musste Jens schon am eigenen Leib erfahren.

Wenn die Polizei zur Hilfe eilen muss 

Besonders brenzlig wurde es für ihn, nachdem er eine Gruppe junger Männer darauf hinwies, dass sie mit ihrer Lautstärke andere Badegäste stören. Doch anstatt den Hinweis des Schwimmmeister zu akzeptieren, bedrohen die fünf Männer ihn. Sie jagen Jens regelrecht durch das Schwimmbad. Um sich in Sicherheit zu bringen, schließt er sich im Kassenhäuschen ein. Nur so kann Jens die Verfolgungsjagd beenden und die Männer auf Abstand halten. In seiner Not ruft er die Polizei. Denn zu diesem Zeitpunkt ist Jens eigenverantwortlich am Beckenrand eingesetzt und somit: allein. „Da ging mir ganz schön die Pumpe“, gesteht der sportliche Mann.

Die hinzugerufene Polizei sorgt für Ruhe, die Männer erhalten ein Hausverbot. „Ich habe mich allerdings schon gefragt, was passiert wäre, wenn ich nicht entkommen wäre“, blickt Jens auf die Situation zurück. Wichtig ist ihm daher, dass er und seine Kolleg*innen nicht mehr allein am Beckenrand stehen. Im Notfall können sie sich so gegenseitig unterstützen. „Wenn ich eine Situation erlebe, die mich innerlich aufwühlt, muss ich mich danach erst mal ein paar Minuten zurückziehen können“, erklärt der Betriebsrat. 

Die Fälle häufen sich

Jens und seine Kolleg*innen in Flensburg erleben solchen extremen Situation etwa einmal im Monat. Doch in den großen Brennpunktbädern in Berlin oder Hamburg müssten die Kolleg*innen schon fast täglich die Polizei zur Unterstützung ins Schwimmbad rufen. Und auch in Flensburg steigt die Gewaltbereitschaft und damit die Anzahl der Vorfälle in den letzten Jahren stetig an, bedauert Jens.

Er kann auf 25 Jahre Berufserfahrung zurückblicken und weiß wovon spricht: 

„Damit wir Beschäftigte uns im Schwimmbad sicher fühlen, absolvieren wir seit fünf Jahren regelmäßig Deeskalationstrainings.“

Als Betriebsratsvorsitzender hat Jens diese Maßnahme gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Flensburger Schwimmbades angeschoben. „Wir brauchen einfach Strategien, um mit den Aggressionen einzelner Badegäste besser umgehen zu können.“
 

Interkulturelle Schulungen fehlen

Trotz dieser erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung wünscht Jens sich in einem anderen Bereich noch Unterstützung. Denn mittlerweile besuchen mehr Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen das Schwimmbad als früher, berichtet er. Oft seien die Regeln, wie man sich im Schwimmbad verhält, nicht allen Badegästen bekannt. „Das fängt zum Beispiel bei der Frage an, was ordentliche Badebekleidung ist“, erzählt Jens.

Er ist davon überzeugt, dass Schulungen zur interkulturellen Kommunikation einige schwierige Situationen im Schwimmbad entschärfen würden. „Unsere Aufklärung über die Haus- und Badeordnung wird häufig als eine Art persönlicher Angriff wahrgenommen“, sagt der Schwimmmeister, „aber das bezwecken wir ja überhaupt nicht.“ Der richtige Umgang mit kulturellen Unterschieden sei für die Beschäftigten in vielen Bädern eine Herausforderung. In kleineren Städten wie Flensburg sei diese Aufgabe erst in den letzten Jahren verstärkt hinzugekommen. Dabei sind die Arbeitsbelastungen ohnehin schon hoch. Im Campusbad Flensburg arbeiten die Beschäftigten in einem 3-Schicht-System, täglich von 5:45 Uhr bis 23 Uhr. Jens hat jedes zweite Wochenende Dienst. Diese Arbeitszeiten wirken sich auch auf sein Privatleben aus. „Familie ist mit diesen Arbeitszeiten nicht einfach unter einen Hut zu bekommen“, sagt der Vater einer 12-jährigen Tochter.
 

Stress abbauen

Um so mehr möchte Jens sein Privatleben vor den Stressfaktoren der Arbeit schützen. „Was ich im Dienst erlebe, versuche ich in der Schwimmhalle zu lassen“, sagt er. Und auch wenn Jens bei Beleidigungen inzwischen so gut es geht auf Durchzug stellt und versucht, die Beschimpfungen nicht persönlich zu nehmen: Über so manches muss er doch sprechen. Besonders über Drohungen wie „Wir wissen, wann Du Feierabend hast. Wir warten auf dem Parkplatz auf Dich“ oder über Gewalterlebnisse spricht Jens zunächst im Kolleg*innen-Kreis. Wenn ihm das Erlebte dann noch immer keine Ruhe lässt, wendet er sich an seine Partnerin. Oder er sucht den Ausgleich in seinen Hobbys. Beim Sport schaltet der leidenschaftliche Wassersportler nach stressigen Schichten gerne ab. „Raus an die frische Luft, das erdet mich“, sagt Jens. Beim Windsurfen, Wellenreiten oder Marathon laufen, findet er sein Ventil, um Beleidigungen und Bedrohungen gut wegzustecken.

Und so kann Jens sich trotz allem gut vorstellen, seinen Job noch bis zur Rente auszuführen. Egal, ob er Aqua-Jogging-Kurse oder Schwimmunterricht gibt, den Kontakt zu den Menschen, den liebt er noch immer. „Die Dankbarkeit in den Augen der Kinder zu sehen, wenn sie ihre Schwimmabzeichen in den Händen halten“, sagt Jens „das ist richtig schön“. Und genau diese Wertschätzung wünscht Jens sich von allen Badegästen. Deswegen wirbt er mit seiner Teilnahme an der Initiative „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ für ein respektvolles Miteinander. In der gesamten Gesellschaft, aber natürlich auch in den Schwimmbädern.
 

Porträts
Betroffene berichten

Wer heute im öffentlichen und privatisierten Sektor arbeitet, der braucht ein dickes Fell! In kurzen Reportagen berichten Beschäftigte aus den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes.

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