Manfred, Kraftfahrer bei der Abfallwirtschaft Aachen
Manfred packt an. Wenn er täglich seinen LKW von Mülltonne zu Mülltonne durch die Straßen von Aachen lenkt. Wenn er sich als Teamleiter um die Erledigung der Arbeitsaufträge kümmert. Wenn er samstags freiwillig auf dem Recyclinghof seiner Stadt hilft. Und wenn er im Personalrat des Stadtbetriebs und im Gesamtpersonalrat der Stadt Aachen für seine Kolleg*innen kämpft.
Der 53-Jährige ist ein Urgestein in seinem Job: Seit seiner Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker vor mehr als 30 Jahren ist der Nordrhein-Westfale für die Abfallwirtschaft der Stadt Aachen im Einsatz; seit acht Jahren engagiert sich Manfred im Personalrat. Denn er will gute Arbeitsbedingungen schaffen, die Mitarbeiter*innen vor Risiken schützen. Doch das wird für ihn und seine Kolleg*innen zunehmend schwerer.
„Auf unseren täglichen Touren merkt man, dass die Aggressionen insgesamt in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Die Leute sind genervter, gestresster und unzufriedener. Gerade im Verkehr reagieren die Leute sehr aggressiv, wenn sie hinter einem Müllauto warten müssen. Böse Worte fallen viel schneller als früher. Uns wird wegen Kleinigkeiten gedroht, Beschwerde beim Arbeitgeber einzulegen.“
Und das sind laut Manfred noch die harmlosen Vorfälle.
Psychokrieg um den Abfall
Seine Einsätze auf dem Recyclinghof lassen den Personalrat mittlerweile fast vom Glauben abfallen. „Das Verhalten mancher Kunden dort ist äußerst extrem. Die Leute reagieren nicht nur unzufrieden, sondern auch verständnis- und respektlos, wenn sie bestimmte Sachen nicht bei uns entsorgen können.“ Doch es gibt klare Regeln, welchen und wie viel Abfall die Bürger*innen auf den Recyclinghöfen abliefern dürfen. Die Mitarbeiter*innen der Abfallwirtschaft setzen diese Vorschriften nur um. Und ziehen damit den direkten Unmut vieler Kund*innen auf sich. „Einige Male mussten Kollegen bereits die Polizei rufen“, erinnert sich Manfred.
„Ein Bürger hat einmal eine Kollegin mit einer Holzlatte attackiert. Ich selbst wurde auch schon gewarnt, man würde auf mich warten, wenn ich ohne Uniform vom Hof käme, das ist unterste Schublade.“
„Uns gehen die Ideen zum Schutz unserer Mitarbeiter aus!“
Der Personalrat und die Geschäftsführung des Stadtbetriebs sind in ständigem Austausch, wie die Probleme gelöst und die Mitarbeiter geschützt werden können. Mittlerweile wurde ein privater Sicherheitsdienst engagiert, um die Situation auf dem Recyclinghof in den Griff zu bekommen und den Verkehr zu regeln. „Wir haben zudem einen Gewaltpräventionstrainer über die Stadt engagiert, der die Mitarbeiter schult.“ Denn für die Kolleg*innen sei es oft sehr schwer, bei solchen Beschimpfungen ruhig zu bleiben. Deeskalation müsse geübt werden. „Zwei wirklich freundliche und ruhige Kolleginnen sind auf dem Hof als Vorarbeiterinnen eingesetzt worden, um den Druck von Anfang an etwas herauszunehmen und genervte Kunden zu beruhigen.“ Aber selbst die Damen werden verbal angegriffen. Der Personalrat überlegt jetzt, ob es Sinn macht, das Ordnungsamt stärker einzubeziehen. „Wir sind bald mit unserem Latein am Ende. Es ist schwer, die Mitarbeiter zu schützen!“
Ständiger Druck macht krank
Manfred ist sichtlich frustriert: „Selbst in Verwaltungsgebäuden wurde ein Sicherheitsdienst installiert. Von anderen Kommunen hören wir, dass Gegenstände, die früher auf den Schreibtischen standen, heute festgeschraubt werden, damit sie nicht nach den Mitarbeitern geworfen werden können. So weit sind wir gekommen!“ Der Kraftfahrer spricht nicht nur von den Erfahrungen seiner direkten Kolleg*innen der Abfallwirtschaft. Als Gesamtpersonalrat der Stadt Aachen hört er von vielen Fällen, quer durch die Stadt: Ob in Kindergärten und Schulen, bei der Feuerwehr oder am Theater – es gebe kaum einen öffentlichen Bereich, der von Beleidigungen und Gewalt verschont bliebe. „Wo viel Publikumsverkehr ist, steigt das Aggressionspotenzial. Auch in unserem Callcenter bekommen wir das zu spüren. Die Kollegen dort müssen sich sehr viele schlimme Dinge anhören.“
Das geht auch irgendwann an die Psyche, weiß Manfred. „Wir bemerken eine Entwicklung: Der ständige Druck von außen macht die Mitarbeiter krank. Unsere Kolleginnen und Kollegen versuchen ihr Bestes zu geben, damit die Kunden zufrieden sind. Wenn aber andere ihre Aggression an ihnen auslassen und sie Angst vor Eskalation haben müssen, dann wird der Gang auf Arbeit zur Belastung, egal wie gern sie ihren Job eigentlich machen. Das macht uns als Menschen auch kaputt.“
Letzte Stellschraube: Härtere Justiz
Was verschärfend hinzukomme: Kaum Konsequenzen für Fehlverhalten. Manfreds Geschäftsführung bringt verbale oder physische Gewalt gegen die Mitarbeiter*innen des Stadtbetriebs immer wieder zur Anzeige. Doch die Verfahren verlaufen viel zu oft im Sande, werden eingestellt. „Das demotiviert die Mitarbeiter extrem“, weiß der Aachener.
„Wir arbeiten alle im Sinne der Bürger, für die Bürger. Und wenn man dann geschlagen, angepöbelt oder bespuckt wird, da verliert man doch den Glauben an den Job.“
Die Politik müsse ihre Leute besser schützen, hinter ihnen stehen. „Ich würde mir wünschen, dass man härter durchgreift. Das ist einer der wenigen Schrauben, wo man noch ansetzen könnte“, überlegt der Personalrat. „Wenn wir solche Vorfälle strenger ahnden, würden die Leute vielleicht endlich abgeschreckt werden und aufwachen.“
Text und Redaktion: Ines Hammer
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Wer heute im öffentlichen und privatisierten Sektor arbeitet, der braucht ein dickes Fell! In kurzen Reportagen berichten Beschäftigte aus den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes.