„Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ steht auf dem großen Banner, das ab heute gut sichtbar am Gebäude der Feuerwache in Flensburg angebracht ist. Mit einer gleichlautenden Kampagne will der Deutsche Gewerkschaftsbund auf die steigende Zahl von Übergriffen auf Beschäftigte aufmerksam machen. „Die Gewalt gegen Beschäftigte, die öffentliche Aufgaben verrichten nimmt seit Jahren zu, das geht von Beleidigungen, Anschreien und Anspucken bis zu Schlägen und Angriffen mit Waffen“, erklärt Joachim Sopha, Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes Flensburg. Und es betrifft sie alle: Rettungskräfte, Feuerwehrleute, Polizisten, Lehrer, MitarbeiterInnen von Bahn, Ordnungsamt, Jobcentern, Justiz, Müllabfuhr oder Verkehrsbetrieben.
Auch bei der Feuerwehr in Flensburg gehören Beleidigungen und Gerangel schon fast zum Alltag. So berichtet Finn Döhring von einem ganz normalen Einsatz: „Haustür zu - Essen im Ofen, die Feuerwehr kommt, um die Tür zu öffnen und den Ausbruch eines Brandes zu verhindern. Während der Aktion werde ich vom Nachbarn angepöbelt: „Scheiß-Feuerwehr, ihr macht alles kaputt, verpiss dich, du Arschloch!“ Der Vermieter wird attackiert, es gibt ein Gerangel und weitere Drohungen, Schreie und Beleidigungen. Ich muss die Polizei hinzubitten, die in der gleichen Weise angegriffen wird. An diesem Tag reicht dennoch eine forsche und direkte Ansage. Der aggressive Nachbar entfernt sich, wir können unsere Arbeit beenden. Solche Situationen erleben wir oft, mit Betrunkenen oder Drogenabhängigen regelmäßig. Beleidigungen und Handgreiflichkeiten passieren da fast immer.
Rettungsassistentin Lisa Hille, die bei der Berufsfeuerwehr im Einsatz ist:
„Wir holen einen Patienten mit dem Rettungswagen ab, weil er zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus gefahren werden soll. Plötzlich und für mich total unerwartet schlägt er wild um sich. Das wiederholt sich ein paar Mal, so dass ich die notwendigen Untersuchungen nicht fortführen kann. Wir müssen die Polizei verständigen, der Patient bekommt Handschellen angelegt. Nun schlägt er mit den Beinen um sich. Ich kann mich gerade noch mit den Händen schützen, um einem Tritt gegen meinen Kopf auszuweichen.“
Joachim Sopha, DGB und Matthias Pietsch von ver.di sind sich einig, dass es sich bei diesen Beispielen nicht um Einzelfälle handelt. „Wir haben aber nur für Polizei und Bahn belastbare Zahlen zu Gewaltfällen, die brauchen wir für alle anderen Beschäftigungsgruppen auch“, fordert Pietsch. Von den Dienststellen erwartet er, den Kolleginnen und Kollegen besser zur Seite zu stehen. Dazu gehören Pläne zur Gefahreneinschätzung, Schulungen und Betreuung, damit die Beschäftigten in heiklen Situationen besser reagieren können und sich nicht alleine gelassen fühlen.
Für beide Gewerkschafter ist klar, dass der Staat seine Investitionen wieder hochfahren muss. Am Personal dürfe nicht mehr gespart werden, denn:
„Den Rückzug des Staates bekommen die Beschäftigten zu spüren. Sie sind wegen Personalmangels oft überarbeitet und auf sich allein gestellt. Dabei haben sie es immer häufiger mit Menschen zu tun, die immer schneller die Geduld verlieren und gewalttätig werden“, kritisieren Kai Röpke und Sven Jakobsen, beide Feuerwehrmann und Notfallsanitäter.
Die Menschen, die öffentliche Aufgaben verrichten, leisten einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft, sie hätten einen respektvollen und gewaltfreien Umgang verdient. „Wir brauchen auch einen Wandel im Bewusstsein der Bevölkerung für den Wert dieser Dienstleistungen“, sagt Joachim Sopha. Das Banner mit der Aufschrift „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ bleibt gut sichtbar für eine Woche am Gebäude der Feuerwache in Flensburg. Weitere Aktionen werden folgen.