Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch

News 2023

Wie ein Meldesystem in Köln die Prävention stärkt

von Ramona Tauber | Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit – Stadt Köln | BM Magazin Ausgabe 06 - 2023
 

Die Sicherheit von Mitarbeitenden hat bei der Stadtverwaltung Köln oberste Priorität. Die fatalen Auswirkungen von fehlender interner Kommunikation über einen erfolgten Übergriff zeigten sich Ende 2019, als ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung in der Ausübung seines Berufes durch einen Messerangriff getötet wurde. Vier Monate später wurde das „Zentrale Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdungen von Mitarbeitenden“ (ZeMAG) durch das Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit (ZKS) der Stadt Köln eingeführt.

Gewalt gegen Beschäftigte als Schrift auf einem Bild mit einem erhobenen Zeigefinger

© BM Magazin DGB

ZeMAG

Mit ZeMAG konnte im April 2020 eine dienststellenübergreifende Datenbank zur Erfassung von „gefährlich“ einzustufenden Personen eingerichtet werden. Das Auskunftssystem gibt Mitarbeitenden, die einer aufsuchenden Tätigkeit nachgehen oder Kundenkontakt im Innen- oder Außendienst haben, die Möglichkeit, gefährliche Personen zu erfassen oder auch vorab zu überprüfen. Ist die gesuchte Person bereits auffällig und gewalttätig gewesen, ist dies in der Datenbank hinterlegt. Die Mitarbeitenden können somit vor einem Zusammentreffen mit der als „gefährlich“ eingestuften Person vorbeugende Maßnahmen zum Eigenschutz einleiten. 

Die Sicherheit, die ZeMAG gewährleisten kann, erhöht sich mit jedem Eintrag. Daher ist es erforderlich, dass alle Beschäftigten der Stadtverwaltung jeden Vorfall oder Übergriff mit Gewaltanwendung bei Erreichen einer bestimmten Stufe, der zu einer Strafanzeige führt, tatsächlich in ZeMAG erfassen. Nur so können die schützenden Informationen anschießend von Mitarbeitenden abgerufen und potentielle weitere Straftaten verhindert werden. Darüber hinaus steht die Stadt Köln für eine „Null-Toleranz“-Grenze im Hinblick auf Übergriffe und die Anwendung von Gewalt gegenüber Mitarbeitenden. Die Strafanzeigen dienen dazu, diese Haltung konsequent sichtbar und spürbar zu machen.

Datenerfassung

Aufgrund der Verarbeitung sensibler Daten wird bei einem Eintrag in ZeMAG zwischen verschiedenen Stufen der Gefährdungslage unterschieden. Während die Stufen 0 bis 1 kontroverse Gespräche sowie verbal aggressives Verhalten oder Beleidigungen beinhalten und die Lösung des Konfliktes meist in der Eigenverantwortung der betroffenen Person oder der Dienststelle liegen, wird erst ab Stufe 2 bei Sachbeschädigung, körperlicher Gewalt, Bedrohung, Nötigung sowie sexuelle Belästigung ein Eintrag in ZeMAG vorgenommen. Ein Eintrag in Stufe 3 erfolgt, wenn Waffen und Werkzeuge gegen Mitarbeitende eingesetzt werden sowie bei Bombenandrohungen und Amokläufen als auch bei Geiselnahmen und Überfällen. 

Wie wichtig die Implementierung der Datenbank war, zeigt sich anhand der folgenden Fallzahlen. Insgesamt wurde ZeMAG in den letzten Jahren 9910 Mal von städtischen Mitarbeitenden aufgerufen. Es gab insgesamt 289 gemeldete Übergriffe, davon waren 254 Vorfälle der Stufe 2 und 35 Vorfälle der Stufe 3. Zu den Vorfällen der Stufe 3 gehörten Gewalttaten wie das Einschlagen des Gesichts mit einer Getränkedose, das Auffahren mit einem Auto auf einen städtischen Mitarbeiter, um eine in Gewahrsam genommene Person aus dem Auto zu befreien als auch ein Übergriff, bei dem eine Mitarbeiterin von einer Person mit vorgehaltenem Feuerzeug mit Benzin übergossen wurde. Glücklicherweise hat sich hierbei kein Feuer entzündet. Die Vorfälle der Stufen 2 und 3 bringen nicht nur physische, sondern auch psychische Folgen bei den Betroffenen mit sich. Daher ist es so besonders wichtig, diese Gewalttaten zu melden.

Art der Übergriffe

Diagramm Übergriffe bis Mai 2023

© Stadt Köln

Stand Mai 2023

Meldung und Zugriff in ZeMAG

ZeMAG Meldebutton Klön

© Stadt Köln

ZeMag Meldebutton

Über einen Meldebutton im Intranet oder über „ZeMAG mobil“ auf den Diensthandys der Stadt Köln, kann von allen Mitarbeitenden ein Vorfall gemeldet werden. Nach Speicherung der Daten werden diese an die unmittelbare Führungskraft oder an eine Vertretung weitergeleitet. Diese wird sich im Rahmen der Fürsorgepflicht mit der Person, die den Vorfall gemeldet hat in Verbindung setzen.

 

Eine Freigabe zur Eintragung seitens der Führungskraft oder einer Vertretung ist notwendig und muss innerhalb eines Werktages erfolgen. Nur so kann die optimale Funktionalität der Anwendung sichergestellt werden. Erst mit der Freigabe und der Erstattung einer Strafanzeige wird der Vorfall in ZeMAG veröffentlicht.

Anders sieht es beim Abrufen der Daten aus. Hier können aus datenschutzrechtlichen Gründen nur die Dienststellen und dortigen Beschäftigten Daten in ZeMAG abrufen, die bezüglich ihrer Funktion und Aufgabenwahrnehmung eine dienstliche Notwendigkeit vorweisen können. Zunächst können nur die Dienststellen, die nach arbeitsschutzrechtlich geregelten sogenannten Gefährdungsbeurteilungen (GBU) mit entsprechenden Kundenkontakten als „gefährdet“ klassifiziert wurden, Daten abrufen. Es können aber auch weitere Dienststellen Zugriff erhalten, wenn eine dienstliche Notwendigkeit beispielsweise durch eine aufsuchende Tätigkeit gegeben ist. Ein Zugriff kann einer Gruppenleitung, einer Sachgebietsleitung als auch einem gesamten Team zugeschrieben werden. Jeder einzelne Abruf der Daten wird im System protokolliert.

Die Stadt Köln als Modellkommune

Mit der Entwicklung und Implementierung von ZeMAG gilt die Stadt Köln als Modellkommune. Mit seiner Art und Anwendung ist das Auskunftssystem bisher einzigartig im öffentlichen Dienst und nimmt auch überregional eine Vorreiterrolle ein. So konnte ZeMAG bereits zahlreichen Kommunen und Organisationen als Präventionsmodell für Stadtverwaltungen zum Schutz von Mitarbeitenden vorgestellt werden und als Grundlage für die Entwicklung ähnlicher oder gleichartiger Modelle dienen. Unter anderen waren Oberhausen, Mönchengladbach, Essen, Düsseldorf, aber auch Berlin, Gronau, und Städte, die dem Deutsch-Europäisches Forum für Urbane Sicherheit e.V. (DEFUS) angehören, vertreten. Ebenfalls informierten sich Finanzbehörden, der Deutsche Städtetag NRW, der Landkreistag NRW, mehrere Landesministerien, Gewerkschaftsverbände sowie die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen über ZeMAG.

Die rechtliche Grundlage zur Verarbeitung personenbezogener Daten wird derzeit hergeleitet aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Abwendung der Gefahr für Leib und Leben der Mitarbeitenden. Diese Grundlage wird datenschutzrechtlich als vertretbar erachtet, stabiler ist jedoch eine spezialgesetzliche Grundlage. Daher hat die Stadt Köln zur weiteren Ausgestaltung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium des Innern NRW, dem Städtetag NRW, dem Landkreistag NRW, dem Städte- und Gemeindebund NRW sowie weiteren Vertreter*innen aus der kommunalen Praxis einen Entwurf als Grundlage entwickelt, der aktuell beim Ministerium des Innern NRW weiterentwickelt wird. 

Durch die Implementierung von ZeMAG kann die Stadt Köln möglichen Gefahren vorbeugen und somit ihre Mitarbeitenden schützen. Dennoch gibt es immer wieder unvorhersehbare Situationen, bei denen auch ZeMAG nicht helfen kann. Daher ist es besonders wichtig, dass die Mitarbeitenden regelmäßig in Bezug auf Arbeitsschutz geschult werden, die gesamte Bandbreite der Angebote der Stadt Köln kennen und bei Vorfällen auch psychosoziale Unterstützung erhalten. 
 

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